Igelzecken und Schnupfen?

  • Liebe Carol,


    Du verwöhnst mich mit Deinen liebevollen Kommentaren, merci. Aber ein „zweites Leben“ auf diesem Planeten, um es „abenteuerlicher“ zu gestalten, solltest Du Dir überlegen. Der Himmel, dort Deine Lieblinge wieder zu treffen, wäre vielleicht besser? 😉 Und die 70er, in denen Trampen ganz selbstverständlich war, kommen nicht zurück. Bzw. man muss eben jung/naiv sein, um sich mal eben an die Straße zu stellen, mit der Idee, lange zu wandern, unter Bäumen zu übernachten. Drollige Ängste: Ich lag bereits im Schlafsack, aber Amseln hüpften weiter durch’s Laub, suchten Insekten. Es hörte sich an wie menschliche Schritte. Panik. 😉

    Beim nächsten „Ausflug“ mit einer Freundin, Schwarzwald, weckte sie mich nachts: „Wir müssen aus dieser Schutzhütte! Ertrage es keine Minute länger.“ - „Stell dich doch nicht so an!“ Drehe mich zu ihr um … und schaue in zwei „glühende Kohlen“/Augen. - „Okay, komme mit.“ 😉 Aus heutiger Sicht lächerlich. Die Hütte war’s Zuhause einer Steinmarder-Familie. Was sollten uns so kleine Wiesel tun?!

    Selbst Wildschweine muss man schon richtig ärgern, damit sie angreifen. Auch wenn schlimme Geschichten über Eber kursieren. In Forsthaus-Nähe oft eine Rotte beobachtet. Sobald die Frischlinge auf mich zuliefen, drohten ihre Mütter. Ein paar Schritte zurück, alles okay.

    Rehbock schimpfte lautstark, lief nicht weg. Antwort: „Glaubst du etwa, ich könnte den Steilhang zu dir hoch rennen?!“ Monsieur brummelte etwas, ging weiter.

    Eichhörnchen eher wütender: „Das ist mein Baum!“ - „Bleibt deiner, möchte nur kurz auf dem Stamm ausruhen.“ Keine Ahnung, wann diese selbstverständlichen Dialoge mit den Tieren begannen. „Du musst jetzt mal aufstehen, Berta, deine Freundinnen sind schon auf dem Weg zur Weide.“ Berta hatte ne Hufentzündung, die der Bauer nicht behandeln ließ. Sie immer zuerst gemolken, damit sich das Mädel länger ausruhen konnte. Aber kaum gesagt, erhob sie sich, humpelte neben mir her - und brüllte beim Abschied am Weidezaun durch’s ganze Tal: „Kommst du bitte morgen wieder?“ 😉

    Bald kursierten „Legenden“ über den „Engel der Ställe“. Wollte mir nur auf einem anderen Hof ne Motorsense ausleihen, niemand im Stall. Bis die Bäuerin mit der Herde reinkam. Nicht so leicht, erst mal alle in ihre Boxen zu kriegen, anketten, Melkgeschirr. Hielt mich zurück. Ein Geschirr saß halt nicht gut, tat dem Tier weh/„schlürfte“, es justiert. Dann war durch eine „rindernde“ Kuh (Damen besteigen sich gegenseitig) die unter der Decke verlaufende Wasserleitung abgerissen worden, musste sie halt „stützen“.

    Dreimal darfst Du raten, was als Geschichte kursierte: „Da steht ne wildfremde Frau im Stall, sagt kein Wort, geht zu unserer gefährlichsten Kuh, richtet ihr’s Melkgeschirr, das Tier macht gar nichts, und dann lässt sie sich auch noch geduldig nass regnen, bis mein Mann das Wasser abstellte.“ 😉

    Nachbarin, der ich täglich half, völlig außer sich bzw. ihre Erwiderung: „Sie kommt einfach rein, hockt sich zwischen die großen Viecher, als sei’s ganz normal.“ Ist es auch, wenn man den Persönlichkeiten respektvoll begegnet.

    Mein Anfang September 2024 verstorbener Kater hätte’s Futter gar nicht angerührt ohne ein höfliches Bitteschön beim Servieren. Danke und bitte selbstverständlich.

    … Der Vater des damaligen Vermieter-Bauern wurde fast zu Tode gequetscht, als er ausmisten wollte, ihn eine Kuh „einklemmte“, Rettungswagen, lange im Krankenhaus. Sie brüllen, schlagen mit Knüppeln, ahnen nichts von der Sensibilität ihrer Tiere. Wenn ich nur bat, „könntest du einen Schritt zur Seite gehen, damit ich deine Häufchen wegräumen kann“, wurde sofort reagiert: „Selbstverständlich!“

    Doch, Herde in den Stall holen musste ich lernen, war beim ersten Versuch regelrecht traumatisiert. Fröhlich auf eine mir bekannte Kuh zugelaufen, sie startete ihren Angriff, verfolgte mich, hätte mich auf die Hörner genommen. Nie wieder. Man muss einfach vorbeigehen, hinter alle kommen, dann laufen sie automatisch Richtung Stall.

    Apropos, der wirkliche „Engel der Ställe“ war eine amerikanische Tierwissenschaftlerin/Verhaltensbiologin, die versuchte, Rindern auf Schlachthöfen ihre Angst zu nehmen, Temple Grandin. Sie legte sich zwischen tausend Tiere, ohne dass ihr etwas geschah. Hab’s ausprobiert, mich auch auf die Weide gelegt. Man wird nur abgeschleckt. 😉


    … Für heute genug, Leon bzw. das verwilderte Rudel wartet auf Futter. Sie wissen genau um meine „Behinderung“, zeigen sich geduldig. Samstag beim Katzen-Frühstück draußen ausgerutscht: Knöchel-Fraktur, Muskelfaserriss, Knieprellung. Jede Mahlzeit ein Abenteuer bzw. arg mühsam.


    Herzliche Grüße

    Henrika

  • Liebe Melanie,


    vielen, vielen Dank für Deine Besserungswünsche! Hätte auf die Katzen hören sollen. Denen gefiel das Drahtgeflecht mit Kokos-Fasern vor der Küchentür noch nie, war ihnen zu „stachelig“. 😉 Ein falscher/unbedachter Schritt, und es mutiert zum Surfboard, rauscht davon.


    Herzliche Grüße

    Henrika

  • Liebe Henrika,

    Deinen Brief zu lesen, fühlte sich an, als würde ich direkt neben Dir stehen — nachts im Wald, im Stall, auf der Weide oder einfach still zwischen den Tieren sitzen. Deine Worte strahlen so viel Wärme und Lebendigkeit aus, dass ich fast die raschelnden Blätter hören, Bertas vertrauensvolle Augen sehen und die sanfte Neugier all dieser Tiere spüren konnte.

    Deine Geschichten erinnern mich immer wieder daran, wie tief Tiere uns Menschen verstehen — oft besser, als wir es selbst tun. Das hört wirklich nie auf, mich zu faszinieren.

    Ich erinnere mich noch gut an einen Moment vor einiger Zeit: Der Hund einer Nachbarin, die eigentlich ziemlich weit entfernt wohnt, lief einmal an meinem Haus vorbei. Ich rief sie bei ihrem Namen — „Princess!“ — und sie blieb sofort stehen, drehte den Kopf und schaute mich an, als wollte sie sagen: „Ja? Was genau möchtest Du jetzt von mir?“ Dieser fragende, fast amüsierte Blick bringt mich noch heute zum Schmunzeln.

    Oder ein anderes Mal, als ich meine Hunde fragte: „Wollt ihr essen?“ — plötzlich kam meine Katze angerannt, als ob auch sie eingeladen worden wäre. Solche kleinen Szenen zeigen so schön, dass unsere Tiere viel mehr hören als nur unsere Worte; sie spüren unsere Absicht, unsere Stimmung und unsere Zuneigung.

    Deine „Gespräche“ mit den Tieren — den Eichhörnchen, den Kühen, Berta — spiegeln genau diese tiefe, respektvolle Verbindung wider. Es wundert mich nicht, dass man Dich den „Engel der Ställe“ nennt. Du lebst nicht nur mit den Tieren, Du teilst wirklich Dein Leben mit ihnen.

    Ich wünsche Dir eine sanfte, stetige Heilung für Deinen Knöchel und Dein Knie. Und ich hoffe, Leon und seine wilden Freunde wachen weiterhin so treu über Dich, wie Du über sie.

    Danke, dass ich durch Deine Geschichten ein Stück des Weges mit Dir gehen durfte — es fühlte sich wirklich an, als wäre ich direkt an Deiner Seite gewesen. Bitte pass gut auf Dich auf.

    Mit den herzlichsten Grüßen und großer Bewunderung,

    Carol


    :herzchen: :herzklopfen: :blümchen:

    Ein Haus ohne Katze ist nur ein Haus und kein Zuhause 8)

  • Sozusagen außer der Reihe eine lange vergessene Tier-Persönlichkeit. Man könnte auch sagen: Vollkatastrophe auf vier Pfoten. 😉 Seines Zeichens Riesenschnauzer. Mit dem gar nicht lustigen Namen „Wälz“ ≠ Wels wie der gründelnde Fisch. Vorliebe? Sich in Exkrementen anderer Tiere zu wälzen. Hätte ihn trotzdem nie so genannt. Unsensibel.

    Auch wenn mir als Hund- und Haus-Sitterin der in die Ferien gereisten Wohngemeinschaft das Dilemma live geboten wurde. Krieg mal alleine einen Riesenschnauzer in die Badewanne, um den Gestank aus seinem Fell zu waschen! Mein bestes, teures Pfirsich-Shampoo benutzt, mochte er nicht, sprang aus der Wanne, schüttelte sich dreimal, ließ mich klatschnass zurück, kam mit seinem Lieblingsduft wieder: Katzen-Durchfall. 😡

    Am nächsten Tag klingelte eine Nachbarin: Hellblaue Frottee-Schuhe weg. „Vor’m Einschlafen auf der Gartenliege noch Ihren Hund gesehen!“ War doch nicht meiner. Trotzdem in den Zimmern gesucht, zwei schmuddelige Teile gefunden, entfernt hellblau. „Könnten es die Hausschuhe gewesen sein?“ 😉


    Eigentlich nie 24 Stunden ohne ein Malheur. Wälz knabberte nachts ein großes Loch in die überaus kostbare indische Bettdecke des abwesenden WG-Mitglieds (eingenähte Spiegelchen etc.), klopfte früh um fünf mit einer Futterdose gegen den Herd - „Hunger!!“ - oder klaute mir abends gleich das bescheidene Steak vom Küchentisch.

    Einmal sollte er wirklich nur ganz kurz im Auto warten, sah hinterher aus wie ein Lametta-geschmückter Tannenbaum. Beste Rockmusik der 70er aus dem Kassenrecorder geknibbelt, sich die Bänder um den Hals gehängt. Offenbar sehr zufrieden.


    Aber keineswegs seine Spitzenleistung. Ihn mit nach Münster zu meinen Freunden genommen, auch eine WG. Wir tranken Tee, alles schien entspannt zu sein, bis eine gewisse Hundeschnauze die angelehnte Tür aufschob - mit „Knochen“ im Maul. Telefonhörer. Weil der natürlich „Widerstand“ leistete, das Kabel einfach durchgebissen.


    … Nie ein eigener Hund, aber mehrfach sollte ausgerechnet ich die „Urlaubsvertretung“ übernehmen. Z.B. bei Borony, schneeweiße ungarische Kuvasz-Hirtenhündin. Also ursprünglich weiß. 😉 Gleiche Vorliebe wie Wessna für Schlammbäder, nur sprang Borony in modernde Ententeiche, versteckte sich hinterher unter’m Schreibtisch, wollte noch weniger als „Wälz“ gewaschen werden.

    … Gut ein nicht soo sauberer Hund eher kein Problem, aber ein Pinkfarbener? Wie soll man den seiner Besitzerin zurückgeben?! Eigentlich Boronys Schuld. Sie hatte ihren Korb in der Küche, wollte aber lieber im Flur vor meiner Schlafzimmertür liegen. Ja auch meine Schuld, erlaubte ihr den gleichen Raum nicht. Jetzt gab’s ne Waschmaschinen-Panne, Schlauch löste sich, die dunkelroten Flur-Fliesen nass. Hündin morgens einseitig knallrosa (!). Leichte Ariel-Lauge: ging einfach nicht raus. Bei allen notwendigen Spaziergängen immer so neben ihr gelaufen, dass es niemand sehen konnte. Gleichzeitig Fluchtpläne geschmiedet: Kanada oder noch weiter weg. 😉 Finanziell unmöglich. Übergabe-Tag kam eben. Prompt lacht sich Boronys Frauchen schier kaputt: „Das Fell wächst doch nach, Pink erledigt sich von selbst“.


    Ups, „Sit“ wäre noch erwähnenswert, locker dreimal so groß wie Borony, ein Pyrenäe, Rüde, echt gigantisch. Wollte nach Abi eine Freundin am Geburtsort besuchen, mit der ich eingeschult wurde. Nur ihr Vater und Hirtenhund anwesend. Sit guckt mich an, ich ihn - schon liegen wir beide auf dem Boden, rangeln, kämpfen spielerisch. Er war sooo viel stärker, aber ganz vorsichtig. Meine Klamotten halt etwas ramponiert. 😉


    … Gerade bereit zu „senden“, als Deine Antwort, Carol, auftauchte. Mille grazie, verstehe langsam, was Du immer wieder betontest bzw. dass wir unseren Mitgeschöpfen ähnlich/gleich respekt- und liebevoll begegnen. Mein auslösendes Moment war vor Jahren eine Sendung über Schimpansen - hoffentlich auf all den Seiten noch nicht erwähnt? „Sie können den Mond erkennen, wissen aber nicht, dass es der Mond ist. Mich fürchterlich aufgeregt: „Wie wollt ihr (!) das denn beurteilen?!“ Absurde Intelligenztests mit Hunden, Katzen - die sollen vergleichsweise strohdumm sein - Papageien. Alles an Menschen gemessen, ohne jegliche Ambition, die Erkenntnismöglichkeiten von Tieren einzubeziehen. Sie sind uns in vielem hoch überlegen, weil wir förmlich am deduktiv-rationalen Denken „kleben“.

    Mich in den letzten vier Jahren heftig mit Meeresbiologen gestritten, sollte ehrenamtlich entsprechende Texte korrigieren. Ja, sie haben’s Fach studiert, aber gar keinen Bezug zu den Tieren. Wenn in Serie Orcas vor spanischen und portugiesischen Küsten Segelboote angreifen, viele versenken, „wollen sie nur spielen“?? Gleichzeitig seien diese großen Delphine die intelligentesten Meeressäuger überhaupt. Eben, die blödeln nicht, es geht darum, dass ein oder mehrere ihrer nahen Verwandten durch Schrauben der Segelboot-Motoren verletzt wurden. Folgerichtig muss deren Gefahr ausgeschaltet werden.

    Für „Wissenschaftler“ „unzugänglich“, wenn sie sich in kein Wesen hineinversetzen können? Es nur von außen mit „gültigen“ rationalen Parametern betrachten?


    Nochmals danke für eure Genesungswünsche. Ja, „alle“ schimpfen, müsste ins Krankenhaus, aber niemand würde die Tiere hier so abgelegen versorgen, täglich mehrmals kommen. Einer weiß, dass es nicht sehr spaßig ist: Leon mit seinen halbwegs überwundenen Igelzecken, Lungenwürmern, Bronchitis. Er bleibt plötzlich, ließ sich heute nicht mal von den lauten Geräuschen des Schleppers bei der Heuernte vertreiben.


    Wird schon - oder nicht


    Henrika